WENN ALLE MENSCHEN
Klanginstallation von Augst und Friedmann - 500 Jahre nach dem Bauernkrieg
Wenn die Rede von der Zeitenwende
Wenn die Hochrechnungen am frühen Mittwochmorgen
Als Thomas Müntzer vor 500 Jahren das Paradies auf Erden
Wenn die universellen Menschenrechte nicht mehr
Als das Besthaupt dem Landvogt
Wenn die Sehnsucht nach Nationalismus und Autokratie
Als am Vorabend des Bauernkriegs
Oliver Augst: Idee, Konzeption, Komposition, Realisation
Reto Friedmann: Idee, Konzeption, Dramaturgie, Text
Fred Marty: Kontrabass
Oliver Augst, Nicole Horny, Brezel Göring, Pascale Schiller: Stimme
Die Verwendung eines Kopfhörers wird empfohlen
Eine Epoche scheint sich ihrem Ende zu nähern, und die neue ist noch nicht erkennbar. An der Schwelle eines Übergangs schauen viele Menschen den Veränderungen mit Bangen entgegen. Mit der Akkumulierung existenzieller Bedrohungen und Proteste scheinen wir wieder an einem solchen Punkt angelangt zu sein.
In der Geschichte gibt es Momente, in denen ein neuer Gedanke aufblitzt, der danach nicht mehr wegzudenken ist. Ein solcher Gedanke ist das Gleichheitsprinzip und der daraus abgeleitete Universalismus als Grundlage für Gerechtigkeit, Menschenrechte und Demokratie.
Vor 500 Jahren argumentierten Thomas Müntzer und die aufständischen Bäuerinnen und Bauern biblisch-universalistisch: Sie wollten das Reich Gottes realisieren, also ein Paradies auf Erden, und forderten die Abschaffung der Leibeigenschaft, weil Christus mit seinem Blut alle Menschen gleichermassen erlöst habe. Heute beobachten wir eine Abkehr vom Gleichheitsprinzip. Im Mittelpunkt des gegenwärtigen Gerechtigkeitsdiskurses stehen oft Identitäten, Perspektiven und historische Kontexte. Die eine, universelle Gültigkeit beanspruchende Wahrheit wird durch relative Wahrheiten ersetzt. Errungenschaften wie die allgemeinen Menschenrechte stehen zur Disposition. Augst und Friedmann stellen die Frage, ob mit dem Bauernaufstand vor 500 Jahren und der Forderung nach universeller Gleichheit ein weiter Bogen über Aufklärung, Französische Revolution und Moderne bis heute geschlagen werden kann – und ob dieser nun womöglich an sein Ende mit ungewissem Ausgang kommt.
WENN ALLE MENSCHEN ist ein sich selbst generierendes Hörspiel. Basis ist ein Stimm– und Klangarchiv aufgezeichneter und systematisierter Audiosamples. Andere Klangbestandteile sind O-Töne, Feldaufnahmen und durch elektronische Klanggeneratoren erzeugt. Einmal gestartet schreibt sich die Klanginstallation unendlich fort. Die Klang– und Stimmbestandteile werden im Wesentlichen über kompositorische Ausschlusskriterien, proportionale Festlegungen, inhaltliche Gruppierung, festgeschriebene Verkettungen sowie aleatorische Prozesse in immer neue Relationen, Überschreibungen oder auch Auslöschungen, gesetzt.
Es wird eine Hördauer von mind. 50 Minuten empfohlen, ebenso wiederholtes „Eintauchen“.
"Es sind immer die Anschauer, die die Bilder machen" (Marcel Duchamp)
Verwendung finden auch zwei historische Lieder "Gott, heiliger Schöpfer aller Stern" von Thomas Müntzer aus dem Jahr 1523, welches sich heute noch im Evangelischen und Katholischen Gesangbuch findet, sowie des "Püntisch Liedlein“ (bündisches Lied) von Conz Annahans, welches als einzige größere authentische Dichtung der Aufständischen von 1525 überliefert ist. Letzteres wurde von Oliver Augst neu vertont. In dem Lied heißt es, die Bauern hätten "einen Sinn erfunden", sie hätten also eine Erkenntnis gehabt. Rückblickend kann man sagen, dass sie mit ihren Forderungen sehr visionär der Aufklärung und der Französischen Revolution vorgegriffen haben, insbesondere mit dem Gleichheitsprinzip.
Gefördert durch: Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Kulturamt der Stadt Frankfurt, Kulturfonds Frankfurt RheinMain, Kultursommer Rheinland-Pfalz der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, Ernst-Bloch-Zentrum Ludwigshafen, Kanton Schaffhausen CH, Kulturstiftung des Kantons Thurgau CH.
Mit freundlicher Unterstützung von Spinnkultur e.V.
Eine Produktion von Augst und Friedmann. In Kooperation mit basis e.V. Frankfurt.
www.augst-und-friedmann.de
Biografien
Oliver Augst
Musik-, Hörspiel- und Bühnenproduktionen, variable Ensembles und Kooperationen, internationale Konzerttätigkeit. "Frankfurts zentraler Künstler im experimentellen Grenzbereich von Musik, Hörspiel, Literatur und Theater." (M. Pees, Berliner Festspiele). "He is a musician that is crossing real boundaries. If you haven't heard of him, it's because he's crossed a boundary that matters." (Downtown NYC)
Reto Friedmann
arbeitet und wohnt in Neunkirch/CH. Radiokünstler und Performer, Master of Arts in Religionslehre, DAS Theology of Spirituality, Religionspädagoge RPI, vorm. Geschäftsführer der Verbandsradioschule Klipp & Klang Radiokurse. Seit 1998 freie Hörspielproduktionen für öffentlich-rechtliche Radios wie SRF2, Ö1, Deutschlandfunk, usw. und Radioperformances an namhaften Festivals und Veranstaltungsorten, mehrere Hörspielpreise. 2023/24 Gastprofessur (als Blablabor zus. mit A. Schmucki) an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst, HfMDK, in Frankfurt/M., Werkschau bei Radioart in Schweden.
www.blablabor.ch
Brezel Göring
Musiker, Produzent und Autor.
Mit Stereo Total hat er zahlreiche Alben veröffentlicht und live in ganz Europa, Nord- und Südamerika, Japan, China und Russland gespielt.
Daneben veröffentlicht Göring Soloschallplatten und Musik für Videospiele, Filme und Theaterstücke (u. a. für das Theater Hebbel am Ufer, die Volksbühne Berlin und die Kölner Philharmonie). Außerdem betreibt er das Label „Verboten in Deutschland“ und vertont Stummfilme. 2012 erschien sein Buch Unbehagen in der Mittelstufe mit „Schülertheaterstücken“ im Schmitz Verlag.
Nicole Horny
Schauspielerin, ausgebildet am Max-Reinhardt-Seminar Wien (AT), der Oxford School of Drama (GB) und der Europäischen Meisterklasse für Regie- und Schauspielkunst GITIS (DE/ RU). Nach Zusammenarbeiten mit u.a. Heiner Müller, Ferruccio Soleri, Karl Paryla, Eimuntas Nekrosius ist Nicole Horny sowohl im klassischen Theaterbetrieb als auch an freien Produktionsstätten zeitgenössischer darstellender Kunst als Schauspielerin/ Performerin tätig, ist etablierte Sprecherin für Hörspiel, Feature und Synchron, Bühnenbildnerin, Hörspielautorin und lehrt als MA Speech Science/ Phonetics u.a. an der Philipps-Universität Marburg.
Fred Marty
geb. in Blaye (Frankreich). Nach seinem Studium des klassischen Kontrabasses widmete er seine Arbeit der Improvisation und dem Experimentieren mit verschiedenen Spielweisen auf dem Kontrabass. Er bemüht sich, eine persönliche Sprache zu entwickeln, indem er sich von Alltagsklängen inspirieren lässt, die manchmal den Kontrabass selbst vergessen lassen (verzerrte Klänge, "löchrige" Obertöne mit unvollständigem oder verfälschtem Spektrum, Schlagzeugklänge ohne bestimmte Tonhöhe, Klänge, die durch das Reiben der Finger oder der Hand auf dem Kontrabassgehäuse entstehen). Er verändert auch die Klangfarbe, indem er zwischen den Saiten Holz- oder Metallstäbe einsetzt. Jeder Teil des Kontrabasskörpers wird zu einem eigenen Instrument.
Pascale Schiller
Schauspielerin
geb. in Frankreich
1992 - 1998 Studium der Theaterwissenschaften und Literatur Paris X - Nanterre
2007 Beste Schauspielerin Festival Internacional de Ciné de Las Palmas für "Die Unerzogenen"
Filme (Auswahl):
Geschwister, D / A 2016, Drama (110 Min.)
Diese Nacht, P / D / F 2008 (Nuit de chien), Literaturverfilmung (117 Min.)
Die Unerzogenen, D 2007, Drama (90 Min.)
Zusammenarbeit u.a. mit Werner Schroeter und Claude Berri
Kontakt
augst@textxtnd.de
reto.friedmann@bluewin.ch
Impressum
Konzept und Gestaltung Internetseite: Setareh Alipour, Audrey Belaud
© Augst und Friedmann
reto friedmann
radio artist, performer and theologian reto friedmann is a member of blablabor (with annette schmucki) was founder and director of the association radio school klipp & klang radio courses master in religious studies at the university of lucerne (theology and religious studies) DAS in theology of spirituality at the university of freiburg/ch taught at the kantonsschule wil sg 2023 / 24 guest professor at the university of music and performing arts, hfmdk, in frankfurt am main (as blablabor together with annette schmucki) with annette schmucki)
oliver augst
Singer, composer and stage designer textXTND together with Marcel Daemgen
studied visual communication specialising in stage design at the Hochschule für Gestaltung in Offenbach and popular music/performance at the Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg. Numerous scholarships and grants, e.g. studio scholarship of the Künstlerhaus Mousonturm (Frankfurt 1991-93), DAAD scholarship for free art (Vienna 1994), scholarship for composition at the Akademie Schloss Solitude (Stuttgart 1995).
Music, theatre and radio play productions, presented internationally since 1991.